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Konkrete Tipps und Argumentationssammlungen rund um die aktuellen Proteste gegen rassistische Polizeigewalt

    (In Punkt 2 ist ein großartiger Video-Sketch)

     

    Es ist so weit. Die Einkehr soll unterbrochen werden. Weil es wichtig ist. Die nachfolgenden drei Infos/Tipps habe ich für die Seminarteilnehmenden von „Erfolgreich rassismuskritisch veranstalten“ geschrieben, aber dachte mir danach, dass das besser ganz öffentlich gesagt werden sollte:

     

    – Tipp 1) Veranstaltungsfail: Protest-Themaverfehlung
    – Tipp 2) Slogan-Fail „all lives matter“
    – Tipp 3) Nicht-Reaktionen weißer Freund_innen / Familie

     

    1)

    Bitte vermeiden, verhandeln, verhindern: Ein sehr großer mir zugetragener Veranstaltungsfail: (angebliche) „Soli-Proteste“, die gleichzeitig gegen Vandalismus protestieren wollen. Wir erinnern uns bitte, worum es hier geht. Wer sich genauso über kaputte Fernseher aufregt wie über rassistische Morde und jahrhundertelange globale systematische Entmenschlichung, muss unbedingt Pause machen und sollte nichts öffentliches veranstalten. Erklärt wird es u.a. hier:
    „Violent protests are not the story. Police violence is.“

     

    2)

    Es ist besonders wichtig, zu verstehen, was „Black lives matter“ heißt und warum es sehr daneben und unsolidarisch ist, „all lives matter“ draus zu machen: wenn mein Haus brennt und ich rufe die Feuerwehr, und die Nachbarn, deren Häuser nicht brennen, sich dann bei der eintreffenden Feuerwehr beschweren, warum sie mein Haus bevorzugen und nicht allen Leuten in der Straße gleich viel Wasser anbieten…
    Eigentlich gibt es an dem Slogan BLM nur etwas misszuverstehen, wenn man nicht auf dem Schirm hat, dass Schwarze Leben leider durchaus als vernachlässigbar und unwichtig eingestuft werden, insbesondere von Institutionen und Polizei. Auch in Deutschland. Siehe Christy Schwundeck, Mareame Sarr, uva. So wie „PRIDE“ sehr wichtig ist für Schwarze und queere Personen und communities, denen mit Abwertung begegnet wird, ist „SCHWARZE LEBEN BEDEUTEN WAS!“ sehr wichtig. Wer den Satz nicht erträgt und nicht so stehen lassen kann, muss leider nochmal an internalisierte white supremacy ran. Genau wie jemand, der/die „queer pride“ nicht verkraftet ohne „Cispride und Hetenpride!“ zu rufen.

     

    In einer erschreckend lebensechten Restaurant-Analogie hier verdeutlicht als großartiger Sketch nachgespielt, so dass Groß und Klein es verstehen:

    https://youtu.be/NtAAeyswlHM

     

    und für Leute, die gerade erst ins Thema einsteigen, erklärt in einem Artikel:

    Why Saying ‚All Lives Matter‘ Is a Problem

     

    Am Rande: „All lives matter“ (argh) wird nur getoppt von „Blue/Green lives matter!“ – dem Äquivalent zu „also, miir ist die Hautfaaabe ja egaaal, ob einer schwarz ist oder weiß oder grün oder gestreift, das seeeeh ich gaanich“. Der weiße Reflex, beim Besprechen ernster Rassismusprobleme auf Fantasie-Körperfarben auszuweichen, ist bedenklich, wirr, Teil des Problems. Wer lieber über ausgedachte Figuren redet, die es nicht gibt, als über reale Schwarze Personen… nuff said.

     

    3)

     

    Weiße Nicht-Reaktionen auf den Tod von George Floyd, Hanau, etc. …

     

    Es ist traurig, dass viele weiße Freund_innen auf große erschütternde rassistische Ereignisse in ihrer Interaktion mit Schwarzen (angeblich) befreundeten Leuten kaum reagieren und es einfach ignorieren. Wir merken das und finden es krass. BIPoC gegenseitig schicken sich Nachrichten wie „hoffe dir geht’s gut, brauchst du was“ oder machen einfach nur kurz einen Check-in ob’s noch geht, zumindest wenn wir schonmal interagieren, und 90% der weißen Leute – von Verwandtschaft über Nachbarschaft über ‚Freund_innen‘ schweigt auffallend zu dem Thema.

    Warum das so ist, darum soll es hier ausdrücklich nicht gehen. Nur so viel: Es gibt auch Wege, einen kurzen freundschaftlichen Gesundheits-check-in zu machen ohne die Person zu triggern und ohne dass die betroffene Person ungewollt das schlimme Ereignis durchkauen müsste. So funktioniert Kondolenz.

     

    Ich meine das jetzt nicht so, dass aus solchen Anlässen alle Weißen sich schlagartig bei allen Schwarzen Bekannten /Verwandten melden sollten, vor allem nach langer Funkstille wäre das teils bizarr, sondern meine: wenn es sowieso Gespräche / Austausch gibt, dann bitte nicht so tun, als wäre nichts los und als wäre das Thema ignorierbar. Also, wenn Chat/Gespräch, dann sagt dazu bitte auch was empathisches.

     

    Die, die den Horror aus Verlegenheit ignorieren, helfen null. Kurz was sagen, egal wie holprig, das tut Belasteten einfach gut. Und gerade in solchen Dingen, die nunmal alle was angehen, was aber nicht allen dauernd das Leben schwer macht, wäre es wirklich wichtig. Wer nicht versteht, dass Rassismus Schwarze Menschen emotional schwer belastet, und dass sie bei jeder rassistischen Tat mitgemeint sind, sollte insbesondere mit dem Veranstalten rassismuskritischer Programme noch warten. Wer es aber versteht, kann nicht den Schwarzen Freund_innen gegenüber tun als wäre nichts. Check-in Beispiele ‚wünsche dir viel Kraft, message wenn du Lieferdienst brauchst‘, ‚hey brauchst du was, bin für dich da, biete Gemüsesuppe/Köfte/Samosas Lieferung ohne Gegenleistung 19h auf Türschwelle incl. physical distancing‘ oder „mensch, das verd§&#¿ a%§#\ f%§“*& k$§#¿system es tut mir sehr sehr leid was abgeht und ich hoffe dir gehts gut, und wenn du magst leih ich dir jetzt sehr gerne meine Xbox, bring dir die sofort vorbei wenn du willst“ oder was auch immer an Bestärkung oder Angebot von Ressourcen oder einer Pause.

    (Wie bei jeder Kondolenz – unbedingt vollständig ohne baggern, flirten oder Dankbarkeitserwartung – und es sollte nicht nachgehakt werden, falls das liebe Angebot nicht angenommen wird oder keine Reaktion kommt, außer es besteht aus greifbaren Gründen akute Lebensgefahr.)

     

    Das waren mal drei schnelle Dinge die mir sehr wichtig sind. Und von denen ich mir wünschen würde, dass sie sich verbreiten würden. Falls der Ton des Artikels scharf klingt: – Ich habe gerade wenig Zeit – und, ja, daran erinnert zu werden, als Mensch zweiter Klasse zu gelten, führt bei mir eher dazu, dass ich im Zweifelsfall lieber deutlicher werde.

     

    Falls Ihr hiervon etwas weitersagen, mailen, teilen wollt, freue ich mich (ich mach ja jetzt social media distancing), bitte aber unbedingt mit Link zu diesem Eintrag, denn Clickbait/Schlagzeile aus dem Zusammenhang heraus wären nicht so der Bringer I-:

     

    Passt auf Euch und aufeinander auf.

    Alles Liebe,

    Noah

    *

     

    Seminar „Erfolgreich rassismuskritisch veranstalten“ :

    online, im eigenen Tempo, anonym,

    99% der Teilnehmenden würden es weiterempfehlen.

    Derzeit der einzige systematische Lern-Ort für die Grundlagen kuratorischer Verantwortung.

     


     

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