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„Abschießen“ und „einfangen“: häufige Fails und bessere Praxen für Foto, Video und Presse auf diskriminierungssensiblen Veranstaltungen

    Broschüre: grafisches CoverDer Artikel ist nicht nur ein Ausschnitt aus meinem Onlineseminar und jetzt hier online sondern auch ein Beitrag in der Broschüre Veranstaltungen planen und durchführen. Diversity-sensibel – Nachhaltig – Inklusiv.

     

     

    Der Wunsch, die eigene Veranstaltung in Form von Fotos oder Videos festzuhalten, ist verständlich. Oft verlangen geldgebende Stellen auch Bilder vom Event. Mit Bedacht erstellt, können Fotos und Videos empowernd wirken und dabei helfen, in Zukunft noch besser das Zielpublikum zu erreichen. Jedoch lauern hier viele Fallstricke. So kommt es regelmäßig zu Grenzüberschreitungen, wenn Veranstaltenden nicht gegenwärtig ist, welche weitreichenden Nebeneffekte Fotos und Videos haben.

    Aus der Physik ist bekannt, dass Experimente bereits durch den Akt des Betrachtens verfälscht werden. Das trifft in noch höherem Maße auf soziale „Experimente“ zu: Der Wunsch zur Aufzeichnung verändert die Veranstaltung.

     

    1) Das Publikum filmen oder fotografieren

    Die Tradition, bei Veranstaltungen spontan in das Publikum zu fotografieren, ist mit unserem Ziel, Diskriminierung und ihren Folgen entgegenzuwirken, nicht vereinbar (und verletzt im Übrigen auch die Persönlichkeitsrechte der Fotografierten). Spontane Fotos verunmöglichen es beispielsweise illegalisierten Menschen, an der Veranstaltung gefahrlos teilzunehmen. Daran ändert auch nichts, einen Zettel außen an der Tür anzubringen, auf dem steht „Die Veranstaltung wird gefilmt“ oder dies auf die Einladung zu schreiben. Der Ausschluss wird dadurch nicht vermindert.

    Was manche im ersten Moment als ungewöhnlich oder sogar übertrieben empfinden mögen, offenbart sich bei der näheren Betrachtung als durchaus leicht nachvollziehbar:

    Was macht der Akt des Fotografierens – außer einem Bild – noch alles?
    • Er manifestiert, wer Subjekt und wer Objekt ist.
    • Er manifestiert, dass die Sicht von außen auf eine Situation Vorrang hat vor der Sicht der teilnehmenden Person.
    • Er ermöglicht die Dokumentation und gibt somit die Macht über die Nacherzählung (welche bei verschiedenen Personen und Positioniertheiten vollkommen unterschiedlich ausfallen kann).
    • Er verleiht die Macht, das Material zu veröffentlichen und in einen Kontext zu setzen, zum Beispiel mit einer diskriminierenden Bildunterschrift.

    Wenn wir nüchtern aufführen, welche Signale und Sekundärfunktionen vom Akt des Fotografierens ausgehen, wird deutlich, dass es sich dabei nicht um einen technischen Vorgang handelt, sondern um eine soziale Verhandlung, die stark mit Hierarchien, Macht und Ohnmacht verflochten ist. Nicht umsonst herrscht in unseren Bildarchiven und Materialien der dominante Blick vor: Die Welt wird von weißen Männern gesehen und gezeigt und Synonyme für das Fotografieren lauten „einfangen“ und „abschießen“.

    Einige Gründe, nicht fotografiert werden zu wollen:

    • Illegalisiert sein (weil die Anwesenheit kriminalisiert wird, droht bei Identifizierung Abschiebung)
    • Privat sein wollen
    • Die Verfügung über das Recht am eigenen Bild nicht hergeben wollen
    • Traumatisiert sein dadurch, immer exponiert zu sein, z.B. als Schwarze Person in einem mehrheitlich weißen Umfeld
    • Rassismus zu erfahren
    • Sexismus / Cissexismus zu erfahren
    • Fotografische Gewalt erlebt zu haben
    • Körperbeschämung (abwertende Kommentare über das Aussehen) erfahren zu haben
    • Diskriminierung wegen Behinderung erfahren zu haben
    • Schüchtern sein
    • Traumatisiert sein durch vergangene Eingriffe in die Privatsphäre und körperbezogene Menschenrechte
    • Die Person erlaubt es nur Menschen, denen sie vertraut, sie zu fotografieren
    • Fotos stören die Person bei der Konzentration auf die Inhalte
    • Religiös motiviert
    • Moralisch/ethisch motiviert
    • Geschichtlich motiviert
    • Wissen um „Tokenizing“ (= Feigenblattpraxis. Das ist, wenn in einem Raum hundert weiße Menschen und drei Menschen of Color sind und letztere überproportional oft fotografiert und anschließend auf Infomaterialien dargestellt werden, um Internationalität, Diversität oder „Offenheit“ vorzugaukeln.)
    • Eine Begründung ist nicht notwendig. Die Gründe sind nur beispielhaft aufgelistet, damit sie nachvollzogen werden können.

    Es ist das gute Recht jeder Person, die im Publikum sitzt, nicht fotografiert zu werden und sich hierfür weder exponieren noch rechtfertigen zu müssen. Das Recht am eigenen Bild ist ein Persönlichkeitsrecht und nicht veräußerbar, so wie das Versammlungsrecht oder das Recht auf freie Meinungsäußerungiii.

    Die Verbreitung und Veröffentlichung eines Bildes bedarf der Einwilligung der abgebildeten Person. Diese Einwilligung gilt beispielsweise als erteilt, wenn die abgebildete Person ein Honorar für das Fotografieren erhalten hat.iv Die unbefugte Verbreitung und Veröffentlichung von Bildern einer Person ist strafbar.v

    Konkrete Tipps für eine neue und sensiblere Fotopraxis

    Da auch das Publikum bisweilen fotografiert und filmt, empfiehlt es sich, bei der Veranstaltung eingangs deutlich zu kommunizieren, dass spontane Fotos und Videos unterbleiben sollen: „Wir wollen heute einen möglichst geschützten Raum haben, in dem sich alle Anwesenden wohlfühlen können. Bitte respektiert das.“

    Wenn Bildmaterial von der Veranstaltung gebraucht wird, können Fotos oder Videos gemeinschaftlich und freiwillig hergestellt werden. Hierfür lassen sich beispielsweise Pausenzeiten einplanen, die ins Programm aufgenommen werden: „Publikumsfoto / Gruppenfoto (freiwillig!!)“. Die Moderation erklärt, dass alle, die Lust haben, jetzt gemeinsam Fotoszenen stellen und Situationen nachempfinden wie: „Zuhörendes Publikum“, „Lebendiger Workshop“, „Angeregte Gespräche“ usw. Es ist genügend Zeit einzuplanen, so dass diejenigen, die nicht mitmachen wollen, sich kurz aus dem Bildwinkel entfernen oder umdrehen können.

    Zusätzlich oder alternativ empfiehlt sich die Einrichtung einer Foto oder Videokabine, in der Teilnehmende sich einzeln oder zu Mehreren freiwillig filmen oder fotografieren (lassen) können.

    Gängige Fotopraxen, die zu vermeiden sind:
    • Wer nicht fotografiert werden will, bitte melden!“
      Dadurch werden die, die nicht exponiert oder markiert werden wollen, noch mehr exponiert.
    • Weil es ein migrantischer Workshop nur mit migrantischen Menschen ist, ist es in Ordnung, wenn wir alle spontan untereinander filmen.“
      Dies ist nicht der Fall, denn Persönlichkeitsrechte und Respekt dürfen in einer Community nicht
      weniger geachtet werden. Es ist dann sogar potenziell besonders belastend, weil sich in geschlossenen Veranstaltungen die Menschen mehr öffnen. Es entsteht zusätzlicher Druck, entgegen der eigenen Empfindung Fotos stillschweigend zu tolerieren.
    • Es ist doch in Eurem Sinn!“
      Hieraus spricht die lange Tradition, die Absichten und Wünsche diskriminierter Individuen und Gruppen zu
      deuten, anstatt sie sie unmittelbar äußern zu lassen und diese Äußerungen hinzunehmen. Was in wessen Sinne geschieht, ergibt sich nicht aus Interpretation und Projektion (und auch nicht aus Manipulation).
    • Mitglied einer dominanten Gruppe filmt die Anderen.
      Bei der Wahl der Person, die fotografiert/videografiert, sollten wir die eingangs genannten hierarchischen Nebenbotschaften berücksichtigen. Wir haben gelernt, es als hinterfragenswert wahrzunehmen, wenn ein Mann Frauen auf einer feministischen Tagung fotografiert. Diese Einschätzungsfähigkeit können wir ausweiten auf weitere gesellschaftliche Hierarchien.

    Mit der Wahl der beauftragten Fotografierenden haben wir die schöne Möglichkeit, einmal die Dokumentation nicht aus demselben Blickwinkel (im wahrsten Sinne des Wortes) stattfinden zu lassen. Indem wir Freelance-Aufträge an diversere Teams vergeben als bisher, können wir die gängige Praxis unterbrechen, nur zum Angeben auf der Webseite an Menschen of Color zu denken. So können wir handlungspolitisch inspirieren, kongruent mit unseren Zielen agieren und diskriminierender Benachteiligung bei der Jobvergabe konkret entgegenwirken.

     

    2) Fotopraxen bei Veranstaltungen im geschützten Raum

    In diesen behandeln diskriminierte Menschen existenzielle Themen und setzen sich besonderer Verwundbarkeit aus. Das ist zum Beispiel der Fall bei Geflüchteten-Gruppen, Empowerment-Veranstaltungen, Workshops oder bei der Jugendarbeit.

    Im geschützten Raum kann nicht aufgezeichnet werden, weil er sonst nicht mehr geschützt ist.

    Soll es Fotos oder Videos geben, hat sich bewährt, die Teilnehmenden nach der Veranstaltung nach ausreichender Pause und mit Abstand zur Räumlichkeit höflich, sensibel und unter Angabe der jeweiligen präzisen Verwendung (Angabe der Homepage/des Mediums und der Verwendungsdauer) anzufragen, ob sie bereit wären, ihre Meinung von der Veranstaltung mitzuteilen und ein Selfie von sich zu erstellen. Die Anfrage darf nicht mit der Kamera/dem Aufnahmegerät in der Hand erfolgen und der Überrumpelung dienen, sondern soll so viel Selbstbestimmung wie möglich affirmieren. Selfies sind eine gewaltfreiere Fotopraxis, weil die fotografierte Person zumindest die Bildherstellung vollständig kontrolliert. Die uns überlassenen Selfies brauchen nicht erkennbar das Gesicht der Person zu zeigen oder sie identifizierbar zu machen. Eine Momentaufnahme mit künstlerischem Spielraum ist zur Dokumentation ausreichend.

    Keinesfalls sollen Teilnehmende bei der Online-Anmeldung zu etwa einem Empowerment-Workshop eine Einwilligung untergeschoben bekommen, dass sie dort fotografiert werden dürfen. Mit Empowerment-Veranstaltungen versuchen wir, tiefe Wunden zu heilen, an denen zahlreiche Menschen zerbrechen. Es gibt viel zu wenig (und noch weniger qualifizierte) Angebote für die Stärkung und Heilungsarbeit Diskriminierter. Es ist außerordentlich kontraproduktiv, wenn die wenigen Projekte dann Menschen, die diese Seelenarbeit notwendig brauchen, um Bildmaterial erpressen mit dem Ziel einer positiven Selbstdarstellung ihrer Organisation. Vorrangig sind die Interessen der Belasteten. Laien können nicht absehen, was eine Übertragung ihrer Bildrechte für sie in der Zukunft bedeuten kann.

    Zur Einrahmung: Honorare für eine gewöhnliche Lizenzübertragung, das eigene Bild uneingeschränkt zu nutzen, beginnen üblicherweise bei mehreren hundert Euro. Vereine, die dergleichen gratis verlangen als Gegenleistung für die Teilnahme an einem Empowerment-Workshop, bereichern sich überproportional und verlassen ihr eigenes moralisches Gerüst. Fortbildung auf diesen Gebieten ist daher notwendig.

     

    3) Fotopraxen bei offenen Veranstaltungen

    Wenn Vorträge oder Aufführungen mitgeschnitten oder in Ton oder Bild aufgenommen werden sollen, muss dies von jeder einzelnen Person, die darin zu sehen oder zu hören sein soll, im Vorfeld erfragt werden. Vorschreiben können wir ein Einverständnis nicht. Mein Tipp ist, bei der höflichen Anfrage auch deutlich zu signalisieren, dass das Einverständnis freiwillig ist: „Wir dokumentieren die Veranstaltung für die Mittelgeberin /für die Presse/für unsere Webseite. Wären Sie mit einem Mitschnitt Ihres Beitrags und mit Fotos zu diesem Zweck einverstanden? Falls nicht, teilen Sie es uns bitte mit, damit wir es berücksichtigen und die Videografin entsprechend instruieren können.“

    Auch eine Dokumentation in Form von Zitaten oder Mitschriften muss angefragt werden. Es gilt dabei das Zitatrecht. Wenn für einen Vortrag bezahlt wird, bedeutet das, dass für den Vortrag bezahlt wird. Es bedeutet nicht, dass die Bezahlung andere Leistungen umfasst – wie zum Beispiel Verwertungsrechte. (Wenn ich Rihanna zum Singen einlade, zahle ich ihr eine Million. Wenn ich sie dabei aufnehmen und das Ergebnis online stellen will, zahle ich ihr hundert Millionen, denn die Rihanna lebt von ihren Zweitverwertungsrechten.)

    Wie bei allen Verhandlungen, die sich im Spannungsfeld von Unterdrückung, Selbstbestimmung, Kontrolle, Macht und Ohnmacht bewegen, gilt auch im Rahmen diskriminierungskritischer Arbeit, dass Vertrauen sich nicht einfordern lässt, sondern erworben werden will. Das heißt, dass es keine Maßnahme sein kann, etwa auf eine detaillierte Rechtefreigabe zu verzichten oder Menschen zu Fotos zu überreden mit der Begründung „Wir machen doch nur positive Sachen mit dem Material, für gute Zwecke“. Auch hier gilt, dass die Absichten und Wünsche derer, die fotografieren (lassen), nicht schwerer wiegen als die Absichten und Wünschen derer, die fotografiert werden sollen.

    Die Erfahrung zeigt außerdem, dass mit dem Vergehen einiger Jahre oder Jahrzehnte Absprachen, die mündlich in der Vergangenheit getroffen wurden, stark unterschiedlich erinnert werden. In der Praxis sind Absprachen, die eine Person für eine Organisation getroffen hat, zumeist nicht mehr nachzuweisen, wenn diese Person dort schon einige Zeit lang nicht mehr arbeitet. Es kommt immer wieder vor, dass Bildmaterial nach langen Jahren aus Archiven geholt und zu jedweden Zwecken verwendet wird, ungeachtet dessen, dass die Rechtefreigabe nicht vorliegt und die Verwendung daher gar nicht gestattet ist. Es sollte daher immer darauf geachtet werden, die getroffenen Absprachen in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren und rein mündliche Absprachen möglichst zu vermeiden.

    Explizites Einverständnis

    Einer detaillierten Freigabeerklärung bedarf es in jedem Fall, auch bei den Bildern, die freiwillig, als Selfie oder in der Fotokabine des Events entstanden sind. Freigabeerklärungen sollten als ausgedruckte Vorlage bereitgestellt werden und gemeinsam mit dem jeweiligen Foto fotografiert werden, damit später eine eindeutige Zuordnung zur abgebildeten Person möglich ist.

    Die Freigabeerklärung muss enthalten, wo und wie lange das jeweilige Statement, Video oder Foto verwendet werden darf. „Unendlich lang und egal wo und wie“ ist bei diskriminierungssensiblen Projekten keine Option. Im kommerziellen Bereich, in dem hohe Honorare gezahlt werden, ist es üblich, dass die Firmen, die die Bilder (Töne, Videos) verwenden wollen, sich möglichst umfangreiche Rechte sichern, die den abgebildeten Personen jegliche Kontrolle entziehen. Weil diese Praxis nicht mit diskriminierungskritischem Handeln vereinbar ist, sollten unsere Freigabeerklärungen so transparent wie möglich gestaltet sein und eine spezifische Zwecksetzung enthalten.

     

    Inspirationen für eine Freigabeerklärung:

    Verwendungszweck:

    z.B. „Für die Broschüre Dokumentation von der Organisation XY

    O Ich erlaube/erlaube nicht die Verwendung zusätzlich in sozialen Netzwerken (Facebook etc.)

    O Ich erlaube/erlaube nicht die Verwendung auf der Webseite der Organisation

    O Ich erlaube/erlaube nicht die Verwendung auf Youtube

    Laufzeit:

    z.B. „1 Jahr ab [Datum]“/ oder „für die erste Print-Auflage der Broschüre“

    Veränderung (z.B. Bild-Ausschnitt):

    O Ich erlaube eine nachträgliche Veränderung der Datei nur nach meiner ausdrücklichen Zustimmung nach Vorlage der Veränderung an: [email-Adresse]

    O Ich erlaube rein technische Veränderungen, die für die Nutzung des Materials zu den erlaubten Zwecken unbedingt erforderlich sind, ohne vorherige erneute Zustimmung

    Untertitel:

    O die Untertitel sind mir ganz egal

    O Ich erlaube eine Untertitelung nur nach meiner ausdrücklichen Zustimmung nach Vorlage des Untertitels an: [email-Adresse]

    Namen:

    Die Verwendung des überlassenen Bildmaterials

    O hat vollständig anonymisiert zu erfolgen

    O hat zu erfolgen unter Verwendung meines Pseudonyms: _______

    O soll meinen bürgerlichen Namen nennen: _______________

     

    4) Umgang mit Presse

    Die Presse stellt von den oben beschriebenen Dynamiken keine Ausnahme dar, sondern verstärkt diese, unter anderem durch ihre Macht, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Daher müssen Pressevertretende gebrieft werden, dass sie sich nicht benehmen können wie auf einer Sportveranstaltung, sondern bei unserer Veranstaltung besondere Regeln gelten.

    Bewährte Praxis für den Umgang mit Presse(fotografien)

    Auf unserer Veranstaltung gelten für Presseleute dieselben Spielregeln wie für alle anderen Anwesenden: keine spontanen Bilder und keine Störungen. Während der für Foto-Inszenierungen reservierten Programmpunkte mit Publikum und Vortragenden kann die Presse nach vorne kommen und nach einer Ankündigung Bilder machen.

    Bei der Einladung weisen wir deutlich darauf hin, dass Presse sich per E-Mail anmelden und dann noch vor Ort akkreditieren muss. Journalistisch Tätige sind das gewöhnt. Sie im Vorfeld über die für die Veranstaltung geltenden Fotovorgaben zu briefen – z.B., dass das Publikum nicht spontan fotografiert werden darf – funktioniert allein per Mail nicht zuverlässig. Daher soll sich die Presse zusätzlich zu einer bestimmten Uhrzeit vor Ort anmelden – etwa an einem Tresen im Foyer. Eine Person aus unserer Gruppe ist eigens mit dieser Aufgabe betraut. Sie nimmt die Akkreditierung vor, instruiert ausdrücklich über unsere neue Foto-Policy und gibt einen gut sichtbaren Aufkleber für „Presse“ aus, damit das Publikum unterscheiden kann, wer für die Veranstaltenden fotografiert und wer für die Presse, da dies Einfluss hat auf die Bereitschaft, für ein Bild mitzuposieren. Manche Menschen wollen gern in die Zeitung, andere keinesfalls.

    Für die Fotos haben wir zuvor einen zeitlichen Rahmen festgelegt, der nicht überschritten werden darf, wie zum Beispiel: „Nach dem Vortrag der Bürgermeisterin, zwischen 10:30 Uhr und 10:45 Uhr, machen wir extra eine Foto-Aktion mit dem Publikum. Davor und danach kann das Publikum nicht fotografiert werden.“

    Presseleute, die zur Akkreditierungszeit nicht kommen können, sollen uns dies vorher mitteilen. Gegebenenfalls können sie ausnahmsweise zu einer vereinbarten anderen Uhrzeit in Empfang genommen und gebrieft werden, wenn wir die Zeit und Ressourcen dafür haben. Presseleute, die hinein- und herauslaufen möchten, wie es ihnen passt, und die Registrierung unangekündigt übergehen wollen, würden ohnehin keine brauchbare Berichterstattung liefern und die Veranstaltung zu sehr stören. Wir sollten uns daran erinnern, dass die Presse keine Landvogtei ist, sondern mit uns als Veranstaltenden symbiotisch arbeitet, dass die Veranstaltungsatmosphäre Priorität hat, und dass wir als Veranstaltende daher ruhig selbstbewusst unsere Primärinteressen verfolgen sollten. Berichterstattung entwickelt rasch eine Eigendynamik, wenn ihr keine deutlichen Grenzen und Spielregeln gesetzt werden. Erfolgt dies aber, hält sich die Presse fast immer daran. Oft wirkt sie sogar erleichtert, wenn ein genauer Rahmen abgesteckt wird.

     

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    Disclaimer

    Vielen Dank an Rechtsanwalt Lukas Kempkes für das juristische Fachlektorat.

    Nichtsdestotrotz kann dieser Artikel keine Rechtsberatung darstellen oder eine solche ersetzen. Zweck des Textes ist in erster Linie die Sensibilisierung dafür, dass Persönlichkeitsrechte bestehen und welche gesellschaftlichen Folgen eine Verletzung derselben haben kann. Wenden Sie sich im Zweifelsfall sowie für genauere Auskunft an eine juristisch geschulte Person, die Ihnen verbindlichen Rechtsrat erteilen darf.

     

     

    i Informationen und Anmeldung auf: noahsow.de/onlineseminar

    ii Sow, Noah: Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus: 2018 umfassend überarbeitete Neufassung: BoD, Norderstedt (Erstausgabe 2008 C. Bertelsmann, München)

    iii Das Recht am eigenen Bild ergibt sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das seinerseits ein Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist. Es gibt Einschränkungen für Personen des öffentlichen Lebens, sehr große Menschenmengen (z.B. Demonstrationen) sowie für Veranstaltungen, auf denen das Ereignis selbst im Vordergrund steht (z.B. Sportveranstaltungen, Konzerte), aber diese sind in der Regel nicht auf Veranstaltungen in dem hier betrachteten Zusammenhang anwendbar.

    iv gem. §22 Kunsturheberrechtsgesetz (KunstUrhG)

    v §33 KunstUrhG

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